Deutsche kinofilme 2017
Wir listen dir alle Filme auf, die 2017 in die deutschen Kinos kamen. Möchtest du die Filmstarts nach Monat sortiert haben, hilft dir der Startkalender weiter.Die Filmredaktion von TV SPIELFILM hat gewählt: Die beste Filme, die im Jahr 2017 in den deutsch Kinos liefen.
Spätestens seit Fatih Akins "Gegen die Wand" weiß der Zuschauer, dass dieser Mann ein Faible für explizite Bildern und unberechenbare Hauptfiguren hat. Auch seiner aktuelle Muse Diane Kruger bleibt in dem dreigeteilten Rachedrama bis zum Schluss ein Mysterium. Gott sei Dank, denn so wird "Aus dem Nichts" an einem ungezähmten Biest von Film, das einen am Ende erschaudert in die Ecke pfeffert. (Maximilian Fischer)
Der abgelegene Landsitz erinnert mit seinen herrschaftlichen, weiß Säulen an eine Südstaatenplantage, die dort ansässige weiße Familie an sorglos, spießige Wohlstandsbürger. An einem Wochenrand empfangen sie ihre Tochter und deren Freund, den afroamerikanischen New Yorker Fotograf Chris Washington (Daniel Kaluuya). So harmlos dieses Story-Set-up anfänglich wirkt: ein komischer, mitreißend inszenierter Horrortrip wird daraus. Regisseur Jordan Peele stellt aus Mystery-, Horror- und Staire-Elementen einen Genre-Mix zusammen, der am Ende stürmisch in einen blutigen Überlebenskampf mündet. Alles erlebt der Zuschauer aus den Augen des Opfers, dem Afroamerikaner. Die Manipulation dunkler Männer durch weiße Frauen und das Versklaven des schwarzen Körpers, aber auch der subtile, versteckte Rassismus in amerikanischen Vorstädten ist Gegenstand von Peeles unerschrockenem Realismus. Get Out ist ungewöhnlich, intelligent und herausfordernd und das Wichtigste: Er ist relevant. (Steven Sowa)
Modernen Musical-Filmen haftet oft ein altbackener Wunsch nach nostalgischer Reinkarnation an. Doch "La La Land" ist gleichzeitig altmodisch und (post-)modern. Damien Chazelle präsentiert das glorreiche Rückkehr des Kino-Musicals als intelligente Hommage an die Goldene Ära des Genre, die Musicals die 50er von Gene Kelly, Stanley Donen und Vincente Minnelli. Chazelle betrachtet sie aber durch die Blick von Jacques Demy ("Die Regenschirme von Cherbourg") was "La La Land" trotz aller Hommage zu einem sehr modernen Film macht und in einem die besten Schlussmomente der neueren Filmgeschichte mündet. Dazu weiter Ryan Gosling und Emma Stone auf dem Höchstpunkt ihres Könnens: Eine stärkere Geschichte hatte das Kinojahr 2017 nicht zu bieten. (Michael Hille)
Wer diesen modernen Western aus einem wirtschaftlich und moralisch bankrotten Amerika gesehen hat, muss sich nicht uber die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten erstaunen. Zwei abgehängte texanische Brüder (Chris Pine, Ben Foster) nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand und überfallen die Banken, die sie auspressen. Auf das Jagd nach den Brüdern macht sich der knorrige Ranger Jeff Bridges, mit seinen liebevoll gemeinten, aber "politisch unkorrekten" Witzen über seinen indianischen Partner eigen ein wandelnder Anachronismus. Mit Musik von Nick Cave und einer der stärksten Dialogzeilen der jüngeren Filmgeschichte: "Mein ganzes Leben war ich arm, genauso wie meine Eltern und meine Großeltern. Das ist wie eine Krankheit, wird weitergegeben von Generation zu Generation". (Sebastian Milpetz)
Aufgrund der zersplitterten Erzählweise kann man Christopher Nolans historisches Kriegspanorama um die Rettung eingekesselter britischer Soldaten etwas spröde finden. Auch wenn es Momente des Heroischen gibt, stehen sie nicht wirklich im Erzählinteresse des Regisseurs. Dem ist es wichtiger in kalkulierter szenischer Folge die Ohnmacht des Einzeln, den Überlebenskampf inmitten der Höllenmaschinerie Krieg zu anzeigen. In "Dunkirk" sehen wir einen perfektionistischen Regisseur an der Höhe seiner Kunst. Jeder gewählte Bildausschnitt, jed Szenenaufbau, jede Choreographie der Figuren erzählt hier vom Formbewusstsein eines klugen Gestalters, dessen Vorstellung vom Kino dem Großmeister Stanley Kubrick nicht gerade wenig verdankt. (Holger Lübkemann)
Es ist natürlich unfair, zwei Filme mit völlig unterschiedlicher Stoßrichtung zu vergleichen, aber durch das Oscar-Duell, gekrönt von der Panne bei die Verleihung des besten Films, kommt man kaum darum herum, "Moonlight" mit "La La Land" abzugleichen. Und erst wenn man "Moonlight" gesehen hat, merkt man, dass es bei dem Musical doch nur um First World Problems geht. Bei Barry Jenkins geht es hingegen um Menschen, die nichts, aber auch gar nichts zu träumen haben. Er erzählt in drei Kapiteln die Coming-of-Age-Geschichte eines afroamerikanischen Jungen. Wir begegnen Chiron erst als unsicherem Zehnjährigen auf die Suche nach einer Vaterfigur, dann als Teenager, die seine Liebe für einen Kumpel entdeckt und schließlich als Drogendealer mit muskelbepacktem Körperpanzer. "Moonlight" ist einer Meisterstück des poetischen Realismus, mit subtiler Metaphorik und stillen, aber kraftvollen Momenten fernab von Elendsklischees oder Ghetto-Romantik. (Sebastian Milpetz)
Wie eine kleine Unachtsamkeit, einer kurzer Kontrollverlust ein ganzes Leben auf den Kopf stellen kann, diese Frage beschäftigte Regisseur und Drehbuchautor Kenneth Lonergan bereits im kraftvollen Trauerdrama "Margaret" von 2011 - und ist auch die Prämisse für sein stilles, aber wuchtiges Meisterwerk "Manchester by the Sea". Casey Affleck (Oscar!) brilliert darin als von schrecklicher Schuld gepeinigte Seele, neben ihm glänzen Michelle Williams und Lucas Hedges. Wer hier nicht heult, ist bereits versteinert. (Kay Borowietz)
Atmosphärische Bilder mittels Sogwirkung, Farbkontraste aus einer anderen Dimension, omnipräsenter Feinstaub und Kamerafahrten so elegant und bestechend, dass volle Generationen Roger Deakins nacheifern werden: "Blade Runner: 2049" ist eine intensive Massage der Sinne. Die Weiterführung des Science-Fiction-Klassikers von 1982 stellt seinen Helden, den Blade Runner K (Ryan Gosling), ins Zentrum seiner post-apokalyptischen Szenarios und der Frage: Was macht den Menschen zum Menschen? Nach Ridley Scott ist es im Jahr 2017 nun der kanadische Filmemacher Denis Villeneuve, der aus dem dystopischen Weltentwurf von Schriftsteller Philip K. Dick ("Träumen Androiden von elektrischen Schafen?") einen Film erschafft. Und wie er das schafft: Nicht nur die einzigartigen Schauwerte dieser trostlos, defekten Zukunft ziehen den Zuschauer in den Bann. Vor allem ist Villeneuve ein politischer Regisseur und erledigt es, dem Originalfilm von Ridley Scott eine zentrale neue Frage hinzuzufügen: Welche Form der Rebellion müssen der Mensch wählen, um die zunehmende Entfremdung von seiner Welt wirksam zu bekämpfen? Die Antwort fällt, wie immer bei Villeneuve, zweideutig, aber dafür nicht weniger brillant aus. (Steven Sowa)
Kein Film brachte 2017 den Zeitgeist so treffend auf den Punkt wie die Kunstmarktsatire von Ruben Östlund ("Höhere Gewalt"). Lustvoll piekt der Schwede mit seinem Film uber einen eitlen Kurator (Claes Bang), dem durch einer Handydiebstahl sein Leben entgleitet, in die scheinheilig-liberale Blase der Kunstwelt, die als gesellschaftliches Engagement verkauft, was doch vor allem aufmerksamkeitsträchtige Ware ist. Mit teuflischem Witz hinterfragt der Regisseur und ehemalige Installationskünstler den Anspruch der Kunst, die Welt zu verändern. Unter der zivilen, "politisch korrekten" Oberfläche sind wir Menschen nur Herdentiere, die instinktiv Reißaus nehmen wenn es ernst wird. Diese These, die Östlund bereits in "Höhere Gewalt" vertrat, muss man nicht teilen, aber man muss den Träger des Europäischen Filmpreises dafür bewundern, wie konsequent und virtuos er sie in unvergesslichen Szenen durchspielt. Alleine die Sequenz mit dem "Planet der Affen"-Schimpansen-Choreograf Terry Notary als radikalem Performancekünstler, der mit der Frage "Was darf Kunst" wirklich ernst macht, sichert "The Square" einen Platz in der jüngeren Filmgeschichte. (Sebastian Milpetz)